Wenn sich ein Patient krank fühlt oder er bestimmte Symptome aufweist, geht er zum Arzt oder – je nach Schweregrad – in ein Krankenhaus. Zunächst verschafft sich der Arzt einen Überblick über die vom Patienten geschilderten Symptome. Es folgt die Diagnostik. Der Arzt erhebt Befunde. Er nimmt dem Patienten Blut ab, der Patient wird geröntgt, es wird ein EKG veranlasst oder vieles mehr. Die Befunde sind für einen Arzt wichtig, damit er sich einen umfassenden Überblick über das Krankheitsbild des Patienten verschaffen kann.
Eine lückenlose Befunderhebung und Befundsicherung ist auch für den Patienten von erheblicher Bedeutung. Nicht nur, dass er später nachvollziehen kann, wie der Arzt auf eine bestimmte Diagnose gestoßen ist. Die vorliegenden Befunde dienen dem Patienten bei einem Behandlungsfehler und eingetretenen Gesundheitsschaden auch als Beweismittel. Da der Patient die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für seinen Gesundheitsschaden nachweisen muss, ist es wichtig, dass lückenlosen Befunde vorliegen.
Doch was passiert, wenn der Arzt es versäumt, einen wichtigen Befund zu erheben, etwa wenn er einen bestimmten Blutwert nicht kontrolliert?
Anders als beim Diagnosefehler ist beim Befunderhebungsfehler eine notwendige Untersuchung nicht fehlerhaft interpretiert, sondern sie ist gar nicht erst durchgeführt worden. Führt der behandelnde Arzt erforderliche Untersuchungen nicht durch und erhebt er die notwendigen Befunde damit gar nicht erst, kommt dem Patienten unter Umständen eine Beweislastumkehr zu gute (§ 630 h Abs. 5 S. 2 BGB). Denn ohne den notwendigen Befund kann ein Patient nur schwer beweisen, dass die gestellte Diagnose fehlerhaft ist und der eingetretene Gesundheitsschaden auf die fehlerhafte Befunderhebung zurückzuführen ist.
Solange alle notwendigen Befunde erhoben werden, sind Diagnoseirrtümer als vermeidbar anzusehen. Hat ein Arzt bereits bei der Befunderhebung fehlerhaft gehandelt, kann er sich aufgrund der fehlenden gebotenen Befunde keinen Überblick über die Gesundheit des Patienten verschaffen. Hier zeigt sich, dass ein Befunderhebungsfehler oft mit einem Diagnoseirrtum einhergeht. Wird bei der Befunderhebung ein (schwerer) Fehler begangen, liegt in der später aufgestellten, falschen Diagnose ein vermeidbarer Diagnoseirrtum. In diesem Fall liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in der fehlerhaften Befunderhebung.
Hat die fehlerhafte Befunderhebung zu Gesundheitsschäden geführt, stehen Ihnen im Einzelfall Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich individuell anhand des jeweiligen Einzelfalls. Gleiches gilt für eventuell bestehende materielle Schadensersatzansprüche. Hier können Sie je nach Einzelfall unter anderen einen Erwerbsschaden, Haushaltsführungsschaden, vermehrte Bedürfnisse geltend machen.
Ob die unterlassene Untersuchung, also fehlende Befunderhebung, oder die unzureichende Befundsicherung in Ihrem konkreten Fall einen groben Behandlungsfehler darstellen, welche Schadensersatzansprüche auslösen, kann Ihnen ein Fachanwalt für Medizinrecht beantworten.