Schmerzensgeld-Risiken und Behandlungsfehler im Geburtsschadensrecht

Schmerzensgeld nach Behandlungsfehler im Geburtsschadensrecht – Fehlverhalten von Ärzten und Geburtshelfern von der Schwangerschaft bis zur Versorgung des Neugeborenen

 

Allgemeines:

Die Art und Intensität der Betreuung während der Schwangerschaft ist individuell zu bestimmen und orientiert sich am jeweiligen Risiko. Um dieses Risiko zu kontrollieren wurden Mutterschaftsrichtlinien geschaffen, die dem Ziel dienen, in einem möglichst frühen Stadium Risikoschwangerschaften bzw. Risikogeburten festzustellen. Somit soll durch die Einhaltung der Richtlinien eine hinreichende, zweckentsprechende ärztliche Betreuung vom Beginn der Schwangerschaft bis zur Geburt sichergestellt werden, wobei die Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten sind und die Entscheidungen sich nach den allgemein fachlich anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse richten.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschließt diese Mutterschaftsrichtlinien. Einzusehen sind die Richtlinien im Bundesanzeiger und im Bundesärzteblatt.

Tritt ein Schadensfall ein (Forderung Schmerzesngeld etc.), so erlangt in einem Klageverfahren diejenige Fassung der Mutterschaftsrichtlinien Geltung, welche zum Zeitpunkt des Schadensfalles bestand.

Die aktuelle Fassung ist am 12. Juli 2003 veröffentlicht worden.

 

  1. Welche Risiken können während der Schwangerschaft auftreten?

 

  1. a) Vorzeitiger Blasensprung

Bei einem regelgerechten Blasensprung tritt dieser erst mit der vollständigen Eröffnung des Muttermundes auf. Dann spricht man vom rechtzeitigen Blasensprung. Ereignet sich der Blasensprung nach Wehenbeginn, aber noch bevor der Muttermund vollständig eröffnet ist, handelt es sich um einen häufigen Fall des frühzeitigen Blasensprunges. Oftmals führt dies zu einer Beschleunigung des Geburtsvorganges.

Kritischer ist der Fall des frühzeitigen Blasensprunges noch vor dem Einsetzen der Wehen.

Gefahren:

  • Frühgeburt
  • Nabelschnurvorfall
  • Amnioninfektionssyndrom: Geburt muss innerhalb der nächsten 24 Stunden durchgeführt werden, andernfalls ist eine aufsteigende Infektion möglich

Gegenmaßnahmen:

  • Infektionsprophylaxe bzw. Infektionstherapie
  • unverzügliche Einweisung in die Klinik
  • regelmäßige Überprüfung auf Entzündungszeichen (Temperatur- und Blutkontrolle)
  • vor der 34. Schwangerschaftswoche (SSW): Therapie der drohenden Frühgeburt, Hemmung der Wehen
  • nach der 36. SSW: im Infektionsfall alsbaldige Entbindung (Entbindungsmodus)

Geburtseinleitung (sollte Geburt nicht innerhalb weniger Stunden   eintreten)

Regel:

Der frühzeitige Blasensprung erfordert eine kontrollierte, nachhaltige, aber auch intensive Reaktion.

 

Bei nicht zureichender Reaktion kann dies zu einem groben Behandlungsfehler führen und so auch zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld.

 

  1. b) Übertragung (Überschreitung des Geburtstermins)

Eine Geburtsterminüberschreitung bzw. die sog. Übertragung ist dann gegeben, wenn der erste Tag der letzten Monatsblutung 294 Tage bzw. 42 Wochen zurückliegt und die Geburt noch nicht eingetreten ist. Ausgegangen von der regulären Dauer von 281 Tagen, kann von dieser Norm teilweise um 14 Tage abgewichen werden, um die erforderliche kindliche Reife zu erreichen. Kommt es zu einer Überschreitung von mehr als 14 Tagen, so steigt auch die kindliche Sterblichkeit, verglichen mit einem Kind, welches termingerecht geboren wird.

Kontrolle:

CTG zweitägig, Intensivüberwachung, Bestimmung des Fruchtwassers (Farbe, Menge, Gewichtsschätzung mittels Ultraschall)

 

Gefahren:

  • Plazentainsuffiziens (mangelnde Funktion des Mutterkuchens), welche die Austrocknung oder eine Wachstumsstörung des Kindes hervorrufen kann. Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Kind empfindlicher gegenüber den natürlichen Gefahren der Geburt reagiert. Im Extremfall kann auch der kindliche Tod eintreten.
  • fortdauerndes Wachstum des Kindes, welches zur Makrosomie (übergroßes Kind) führen kann; dabei besteht ein erhöhtes Risiko für eine Schulterdystokie

Gegenmaßnahmen:

  • Geburtseinleitung auf vaginalem Weg mittels Wehenerzeugung
  • bei erfolgloser Geburtseinleitung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kindes ist unverzüglich ein Kaiserschnitt durchzuführen

Bei Unterlassen dieser Maßnahmen kann dies zu einem groben Behandlungsfehler führen und so auch zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld.

  1. c) Wachstumsretardierung (Entwicklungsstörung in Bezug auf Körpergewicht oder -länge)

Eine Wachstumsretardierung manifestiert sich durch ein verringertes Körpergewicht oder eine reduzierte Körperlänge und wird durch Wachstumskurven bestimmt, welche die Normalverteilung für das jeweilige Gestations- und Lebensalter darstellen. Ob tatsächlich eine Wachstumsretardierung vorliegt, kann erst nach der Geburt sicher diagnostiziert werden. Während der Schwangerschaft kann eine solche Fehlentwicklung lediglich mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung vermutet werden, wenn das geschätzte Gewicht des Kindes, von dem Normmesswert um mindestens 2 Wochen negativ abweicht.

  

  1. d) Amnioninfektionssyndrom (AIS)

Das Amnioninfektionssyndrom beschreibt eine Infektion der Fruchthöhle und evtl. des Fetus und der Gebärmutter.

 

Symptome:

  • Wehentätigkeit, Fieber, kindliche Tachykardie

 

Ursachen:

  • frühzeitiger Blasensprung und dessen Dauer
  • häufige vaginale Untersuchungen
  • lang andauernde Geburt
  • erstmalige Geburt
  • langanhaltende Wehen
  • Nutzung einer fetalen Kopfschwartenelektrode

 

Gegenmaßnahmen:

  • baldige Entbindung (wenige Stunden nach Feststellung)
  • Verabreichung von Antibiotika (erreichen die Amnionhöhle lediglich in geringer Konzentration)

Bei nicht zureichender Maßnahmen kann dies einem Anspruch auf Schmerzensgeld.

 

  1. e) Präeklampsie (Schwangerschaftsintoxikation)

Symptome:

  • Proteinurie (Eiweiß im Urin)
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Ödeme (Wassereinlagerung im Gewebe)

Die Eklampsie ist durch tonisch-klonische Krämpfe im Zeitraum des letzten Schwangerschaftsdrittels geprägt, welche neben den Symptomen der schweren Präeklampsie auftreten.

Die Praeklampsie erfordert eine engmaschige medizinische Überwachung durch Fetometrie und Doppeluntersuchungen, Laborkontrollen, CTG-Kontrollen und die Untersuchung der Blutwerte.

Behandlung bei leichter, unkomplizierter Präeklampsie:

  • Senkung des Blutdrucks
  • Diät mit eiweißreicher Nahrung
  • Krampfprophylaxe (Magnesium, Bettruhe)

Behandlung der schweren Präeklampsie und Eklampsie:

  • Intensivüberwachung

Maßnahme bei drohendem eklamptischen Anfall und Eklampsie:

  • ab Narkosefähigkeit und stabilem Zustand der Schwangeren ist die Entbindung (notsectio) einzuleiten, wobei der Schwangerschaftsfortschritt keinen Einfluss hat
  • Die vaginale Entbindung kommt lediglich bei weit fortgeschrittener Eröffnungsperiode in Betracht.

Gegenmaßnahmen im Allgemeinen:

  • ständige Überwachung der Vitalfunktionen
  • Schutz vor weiteren Verletzungen
  • Verabreichung folgender Medikamente: Ebrantil, Diazepam bzw. Dormicum, VEL-Infusion
  • vorbereiten des Zugangs
  • Intubation vorbereiten

Risiken für das Kind:

  • Entwicklungsstörungen durch verminderte Sauerstoffversorgung
  • intrauterinerer Fruchttod (Tod innerhalb der Gebärmutter) durch frühzeitige Plazentaablösung bzw. Hypoxie

Risiken für die Mutter:

  • frühzeitige Plazentalösung
  • Beeinträchtigung der Versorgung des Gehirn bei einem Krampfanfall
  • Hirnblutung, Hirnödem, Ateminsuffizienz, Atemstillstand
  • erneuter Krampfanfall durch Lichtreize oder akustische Reize

 

Welche Gefahren drohen während der Entbindung?

 

  1. a) Mekoniumaspirationssyndrom

Dieses Syndrom stellt eine Infektion des Neugeborenen durch Einatmung von vorzeitig abgegangen eigenen Darmausscheidungen dar.

OLG Koblenz, Urteil vom 14.03.1991, Az.: 5 U 1789/89:

Eine Überwachung des Neugeborenen ist in den ersten 20 Minuten nach der Geburt vorzunehmen. Dies gilt vor allem für den Fall, dass es nach der Geburt mit Mekonium (Kindspech) verschmiert ist. Dann besteht das Risiko, dass das Kind intrauterin (in der Gebärmutter) oder postpartal (nach der Geburt) Mekonium (Darmausscheidung) eingeatmet hat.  Erfolgt keine hinreichende Überwachung des Kindes kann dies zu Schmerzensgeld führen.

  1. b) Frühgeburt

Wird der Säugling vor der vollendeten 37 SSW geboren, so handelt es sich um eine Frühgeburt.

Risikofaktoren:

  • bereits erfolgte Frühgeburt
  • bereits erfolgte Totgeburt
  • Rauchen
  • mütterliches Alter (Über 18 bzw. unter 35 Jahre)
  • mehr als 2 Fehlgeburten
  • Mehrlinge
  • uterine Blutung
  • Infektion der Vagina
  • Placenta praevia (Fehllage des Mutterkuchens)
  • Harnwegsinfektionen
  • SIH (erhöhter aterieller Blutdruck während der Schwangerschaft)

Therapie:

  • schwangerschaftsverlängernde Behandlung (nur im Falle des kindlichen Wohlbefindens; hierzu CTG und Ultraschallkontrolle), nicht bei Plazentainsuffizienz (Funktionsbeeinträchtigung des Mutterkuchens) oder drohendem Sauerstoffmangel
  • Wehenhemmung (Verabreichung von Betamimetika z. B. Prostaglandininhibitoren, Oxytocinantagonisten, Nitroglycerin, Partusisten)
  • Ruhigstellung
  • Verabreichung von Antibiotika
  • Cerclage (Verschluss des Muttermundes)

Rechtsprechung:

  1. c) Mehrlingsschwangerschaften

Regel:

Mehrlingsschwangerschaften zählen zu den Risikoschwangerschaften und erfordern eine besondere Überwachung

Überwachung der Schwangerschaft:

  • 14 tägig Vorsorgeuntersuchungen bis zur 28. SSW, später wöchentlich
  • Fehlbildungsdiagnostik
  • frühzeitige Feststellung der Mehrlingsschwangerschaft
  • einer Frühgeburt vorbeugen
  • auf intrauterinere Hypotrophie (Minderwachstum) untersuchen
  • Beendigung der Schwangerschaft:
    • Risiko, dass Kind im Mutterleib abstirbt ab 38. SSW erhöht, daher ab diesem Zeitpunkt Beendigung emfpohlen
    • Unterscheidung zwischen Zwillingen und höhergradigen Mehrlingen, aber kein festgelegter Standard, ob Geburt vaginal oder durch primäre Sectio (Kaiserschnitt) durchgeführt wird

Kaiserschnitt indiziert bei:

  • Zwillinge mit Gewicht <1800 g (Ultraschallschätzung)
  • Monamniote Zwillinge (in einer Fruchthöhle)
  • höhergradige Mehrlinge
  • vorangehender Zwilling in Querlage oder Beckenendlage
  • Gewichtsdifferenz zwischen den Zwillingen von über 20 %

Voraussetzungen einer OP:

  • Begleitung durch erfahrene Geburtshelfer hinsichtlich der operativen Entwicklungen von Mehrlingen bei Fehleinstellungen, Lageanomalien, nicht zu stillenden nachgeburtlichen Blutungen ggf. Hysterektomie (operative Entfernung der Gebärmutter)
  1. d) Lageanomalien

Als Normallage wird die vordere Hinterhauptslage beschrieben, wobei das Kind längsgerichtet und der Kopf nach unten gelagert ist.

Weicht die Lage des Kindes von dieser ab, so besteht das Risiko der Schädigung des Kindes durch einen im schlechtesten Fall auftretenden Geburtsstillstand oder durch eine Verzögerung der Geburt.

Lageabweichung treten allerdings nur in den seltensten Fällen auf. Die Wahrscheinlichkeit liegt unter 5 %. Es wird zwischen Beckenendlagen und Quer- bzw. Schräglagen differenziert, wobei letztere selten auftreten.

Bei der Beckendlage geht nicht der Kopf, sondern das Beckenende des Kindes voran.

Erfolgt die Geburt vaginal, besteht das Risiko, dass der kindliche Kopf im Becken der Mutter stecken bleibt und in der Folge die Nabelschnur abklemmt. Es besteht dabei eine schlechtere Durchblutung, weil die Gebärmutter bereits leer ist und sich komprimiert. Ferner verschlechtert sich die Versorgung mit Sauerstoff durch die abgeklemmte Nabelschnur und die sich eventuell bereits ablösende Plazenta. Die Sauerstoffunterversorgung kann bereits nach wenigen Minuten zu Hirnschädigungen des Neugeborenen führen.

Eine Empfehlung der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) aus dem Jahr 1992 sah vor, dass im Falle der Beckenendlage sowohl die Möglichkeit der vaginalen Geburt als auch der Sectio sorgfältig zu prüfen sind. Dabei wird vorausgesetzt, dass die notwendigen apparativen, geburtsmechanischen und personellen Bedingungen gegeben sein müssen, um die Gefahren einer vaginalen Beckenendlage kontrollieren zu können.

Dabei werden unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Geburtshilfe vertreten. Einer Ansicht zufolge, ist die primäre Sectio bei der Beckenendlage zu bevorzugen. Nach einer anderen Auffassung besteht keine generelle Tendenz die Methode Schnittentbindung zu bevorzugen.

Gegenmaßnahmen:

Wird die Beckenendlage im letzten Schwangerschaftsdrittel festgestellt, besteht die Möglichkeit die Lage von außen durch spezielle Techniken und Massagen zu verändern. Dabei droht allerdings die Gefahr von schwerwiegenden Komplikationen und ein Erfolg ist nicht eindeutig erwiesen.

Bei der Steißlagengeburt wird, vor allem bei Erstgebärenden, grundsätzlich eine elektive Sectio (Wunschkaiserschnitt) durchgeführt, da sie eine Vielzahl von Gefahren mit sich bringt.

Im Ausnahmefall wird eine vaginale Entbindung unter folgenden Bedingungen durchgeführt:

  • keine Erstgeburt der Schwangeren
  • kein übergroßer Kopf des Kindes und einfache Steißlage
  • bis 42. SSW, bei sehr gutem kindlichen Wohlbefinden
  • Ultraschallgewichtsschätzung auf 2500 bis 3000 g
  • erfahrener Geburtshelfer
  • jederzeitige Möglichkeit zur Durchführung einer Anästhesie und OP
  • regelgerechter Geburtsverlauf (Fortschritt der Wehen, Muttermund geöffnet, Steiß ins Becken abgesenkt)

 

Voraussetzungen für medizinische Eingriffe

  1. a) Äußere Wendungen (Lageabweichung)

Wird die Beckenendlage im letzten Schwangerschaftsdrittel festgestellt, besteht die Möglichkeit die Lage von außen durch spezielle Techniken und Massagen zu verändern. Dabei droht allerdings die Gefahr von schwerwiegenden Komplikationen und ein Erfolg ist nicht eindeutig erwiesen.

 

  1. b) Notsectio (Kaiserschnitt):

Differenzierung nach geplanter, primäre und sekundärer Sectio (= Notsectio)

Fälle der sekundären Sectio:

  • Kopf des Kindes bleibt im Becken stecken
  • Sauerstoffmangel durch um den Hals gewickelte oder abgeklemmte Nabelschnur
  • Gefahr der Uterusruptur (Gebärmutterriss)
  • Mutter kann aufgrund von Kräftemangel nicht mehr pressen
  • Wehen bleiben aus

Die Notsectio ist generell innerhalb von kürzester Zeit durchzuführen, weshalb lediglich eine Behandlung unter Vollnarkose in Betracht kommt. Die örtliche Betäubung würde nicht genügen, da das Einsetzen der Wirkung eines zu langen Zeitraums bedarf.

 

E-E-Zeit (Zeitspanne zwischen der Entscheidung zur Sectio und der Entwicklung des Kindes)

Die Richtlinien der DGGG 2004 für die Durchführung einer Notsectio bestimmen, dass spätestens 20 Minuten nach dem ärztlichen Entschluss zu dieser Geburtsmethode, das Kind geboren sein muss (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.03.2012, Az.: 5 U 7/08, OLG Köln, Urteil vom 15.05.2013, Az.: I-5 U 138/12, 5 U 138/12 Rn. 23; LG Bonn, Urteil vom 28.01.2013, Az.: 9 O 266/11).

Wird diese Zeitspanne überschritten ist eine Optimierung der organisatorischen Abläufe unerlässlich. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie kann zu Schmerzensgeld führen. Die Dauer kann durch die Verbesserungen in einem Perinatalzentrum und Krankenhaus mit Maximalversorgung auf Zeiten von unter 15 Minuten reduziert werden.

E-E-Zeit (Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Notsituation und der Entscheidung zur notfallmäßigen Entbindung)

Je kürzer diese Entscheidungsdauer ist, desto leistungsfähiger ist die Geburtsklinik.

 

Ärztliche Aufklärungspflicht über die Möglichkeit einer Sectio

Bestehen bei einer Zwillingsschwangerschaft für Mutter oder Kind im Falle eines Zuwartens erhebliche Risiken, so ist über die Alternative einer primären Schnittentbindung aufzuklären.

Ist eine Schnittentbindung aufgrund besonderer Umstände (Risikogeburt) relativ indiziert und ist sie deshalb eine echte Alternative zu einer vaginal-operativen Entbindung, besteht eine Pflicht zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung.

  1. c) Künstliche Einleitung der Geburt

Der Geburtsvorgang kann durch künstliche Wehentätigkeit eingeleitet werden, indem wehenauslösende Medikamente (Prostaglandin und Oxytocin) verabreicht werden. Ferner kann die Geburt durch Amniotomie (mechanische Eröffnung der Fruchtblase) in Gang gesetzt werden.

Die künstliche Einleitung der Geburt muss dabei aus Gründen, die bei der Mutter oder dem Kind vorliegen, medizinisch indiziert sein. Zudem muss die vaginale Geburt in der konkreten Situation möglich sein.

Gründe:

Mutter

  • Erkrankungen z. B. Diabetes
  • Risiko für Auftreten eines Krampfanfall oder eines HELLP-Syndroms (komplizierte Form der Praeklampsie)
  • Amnioninfektionssyndrom und frühzeitiger Blasensprung
  • Risikoschwangerschaft wegen einer Praeklampsie
  • Geburtstermin erheblich überschritten und Wehenschwäche

Kind

  • Beeinträchtigung des Wachstums
  • grünes Fruchtwasser (Kennzeichen für Sauerstoffunterversorgung des Kindes)
  • Übertragung ab 42. SSW
  • chronische Plazentainsuffizienz (dauerhafte Funktionsstörung des Mutterkuchens)
  • Rhesusunverträglichkeit
  • auffälliges CTG
  • positiver Wehenbelastungstest
  1. d) Wunschkaiserschnitt (elektive Sectio, Wunschsectio):

Die elektive Sectio wird aus medizinrechtlicher Perspektive als Alternative zur vaginalen Geburt  anerkannt.

Hiermit soll das Selbstbestimmungsrecht der Mutter, über die Behandlungsmethode zu entscheiden, verwirklicht werden.

Selbst wenn die Entscheidung der Frau aus medizinischer Sicht für unvernünftig gehalten wird, ist deren Selbstbestimmungsrecht zu wahren (vgl. jurisPK-BGB/Lafontaine/K. Schmidt, 7. Auflage, § 630 h, Rn. 118, OLG Frankfurt, Urteil vom 11.12.2002, Az.: 13 U 199/98).

  1. c) Zangengeburt / Vakuumextraktion (Saugglockenentbindung)

Die Zangengeburt und die Vakuumextraktion sind Entbindungsmethoden die vaginal-operativ erfolgen.

Bei der Saugglocke handelte es sich um eine speziell geformte, aus Metall oder Kunststoff bestehende Schale, welche am Kopf des Kindes positioniert wird. Mittels einer Unterdruckpumpe, die sich unmittelbar an der Schale befindet, wird ein Vakuum erzeugt. Dadurch saugt sich die Glocke am kindlichen Kopf fest. Daraufhin zieht Arzt das Kind wehensynchron aus dem Geburtsgang.

Die Entbindungsmethoden setzen eine eindeutige medizinische Indikation voraus und erfordern ein manuelles Einwirken des Arztes.

Dabei wurden von der DGGG auch für die vaginal-operativen Entbindungstechniken Empfehlungen 1996 und 1999 veröffentlicht.

Regel:

Besteht eine verminderte Belastbarkeit des Kindes aufgrund einer fetalen Hypoxie/fetalen Aszidose, so sollte die vaginalen-operative Entbindung restriktiv eingesetzt und im Zweifelsfall der Kaiserschnittentbindung bevorzugt angewandt werden.

Fälle der Vakuumextraktion:

  • Mutter darf wegen gesundheitlichen Aspekten nicht pressen
  • Mutter kann wegen Periduralanästhesie (lokale Betäubung im unteren Lendenwirbelbereich) Wehen nicht spüren und daher nicht pressen
  • Mutter kann aufgrund langer Geburt und dem folgenden Kräftemangel nicht mehr pressen
  • Kind befindet sich tief im Becken und veränderte Herztöne signalisieren Sauerstoffmangel

Notfallsituationen

Während des Geburtsvorgangs entstehen immer wieder Situationen, die einen operativen Eingriff erfordern, selbst wenn zunächst ein regelgerechter Ablauf vorliegt.

  • Verengung der Nabelschnur durch Umschlingung oder Knoten
  • verminderte Durchblutung der Plazenta
  • atypische Herztöne des Kindes

Abhilfe schafft in solchen Situationen die Zangen- oder Saugglockengeburt, aber auch die Schnittentbindung ist möglich. Aufgrund der Komplikationen einer solchen Geburt muss immer ein Arzt neben der Hebamme anwesend sein.

  1. a) Placenta previa

Die Placenta previa beschreibt die Fehllage des Mutterkuchens (Plazenta), bei der die Plazenta den Geburtskanal partiell oder vollständig überlagert. Sie kann oftmals zum Ausbleiben der Wehen und zu Lageanomalien des Kindes führen und erfordert daher meist einen operativen Eingriff.

  1. b) Vorzeitige Plazentalösung

Mögliche Ursache für eine vorgeburtliche Plazentalösung kann sein, dass sich das befruchtete Ei im unteren Bereich der Uterus einnistet oder sich die Plazenta in Richtung des Muttermundes ausbreitet. Treten Vorwehen nach der ersten Hälfte der Schwangerschaft auf, kann sich der untere Teil der Gebärmutter dehnen und zur Plazentaablösung führen.

Risiko:

  • nicht stillbare, starke Blutung, die zur Gefährdung des mütterlichen Lebens führt
  • vorgeburtlicher Tod des Kindes
  1. c) Schulterdystokie

Die Schulterdystokie bezeichnet die inkorrekte Lage der Schultern nach der Geburt des Kopfes, welche zu einer Verzögerung der Geburt und damit einer geburtshilflichen Notfallsituation führt.

Dabei sind grundsätzlich alle diagnostischen Mittel einzusetzen, um die Gefahr einer Schulterdystokie zu erkennen.

Bestehen andere Risikokonstellation, so ist nach den Empfehlungen der DGGG (Frauenarzt 1998, 1396) selbst in diesem Fall die werdende Mutter über ihr individuelles Risiko für das Auftreten einer Schulterdystokie und deren Folgen, die verschiedenen Entbindungsmöglichkeiten und deren Risiken sowie über das erhöhte Risiko für das kindliche Wohl bei der vaginalen Geburt aufzuklären.

Die Gefahr einer Schulterdystokie wird an kindlichen, mütterlichen und geburtshilflichen Faktoren gemessen.

Kindliche Faktoren

  • Diskrepanz zwischen querem Durchmesser des Thorax und bipartalem Durchmesser des Kopfes
  • auf Schätzung basierendes Geburtsgewicht

Mütterliche Faktoren

  • Multiparität (mehrere vorangegangene Geburten)
  • höheres Alter
  • Schulterdystokie bei früherer Geburt
  • Übergewicht
  • Schwangerschaftdiabetes, Diabetes Mellitus

Geburtshilfliche Faktoren

abhängig vom Geburtsgewicht des Kindes:

  • längere Austreibungsphase (zwischen vollständiger Öffnung des Muttermundes und Geburt)
  • Überschreitung des Geburtstermins
  • vaginal-operative Entbindung (vor allem aus der Beckenmitte)
  • Gabe von Wehenmitteln
  1. d) Nabelschnurvorfall und Vorliegen der Nabelschnur

Beim Nabelschnurvorfall rutscht die Nabelschnur nach dem Blasensprung zwischen das Kind und den Geburtskanal. Das Vorliegen der Nabelschnur bezeichnet eine Situation während der Schwangerschaft, bei der die Nabelschnur bei noch bestehender Fruchtblase vor der Geburtsöffnung liegt.

Ursachen:

  • Frühgeburt
  • Lageanomalie
  • Blasensprung bei Quer-, Fuß- oder Schräglage

Risiko:

  • Zusammenpressen der Nabelschnur
  • Hypoxie (Sauerstoffmangel) und mögliche Behinderung bis Tod des Kindes

Gegenmaßnahmen

  • Beckenhochlagerung der Schwangeren
  • Nach Blasensprung Liegeposition (zur Entlastung der Nabelschnur)
  1. e) Uterusruptur

Die Uterusruptur bezeichnet einen Riss der Gebärmutterwand, der vorwiegend auftritt, wenn das erste Kind durch eine Schnittentbindung geboren wurde und nun eine vaginale Entbindung erfolgen soll.

Beim Vorliegen einer Uterusruptur ist notfallmäßig eine Sectio durchzuführen.

  1. f) Uterusatonie / Verstärkte Blutung

Bei der Uterusatonie besteht eine Kontraktionsschwäche des Uterus. Im Normalfall zieht sich die Gebärmutter, nachdem der Mutterkuchen ausgetreten ist, wieder zusammen. Dies erfolgt um die Wundfläche zu verringern und die Gefäße zu verschließen. Besteht diese Schwäche der Gebärmuttermuskulatur zieht sie sich nicht zusammen und es folgen starke, teilweise lebensbedrohliche Nachblutungen.

Um diese Kontraktion der Gebärmutter künstlich herzustellen werden Wehenmittel  verabreicht und eine taktile Reizungen zur Förderung der Wehen vorgenommen. Darüber hinaus wird die Harnblase entleert.

Der Kreislauf ist zu ständig zu überwachen.

Bei fortdauernde Blutung muss eine Überprüfung auf Verletzungen vorgenommen werden. Oftmals können stärkere Kontraktionsmittel mit Prostaglandinen Abhilfe schaffen.

Teilweise erfolgt die Therapie, nach vorgenommener Betäubung, durch das Ausstopfen des Uterus mit einer Tamponade, die zuvor in einen Wirkstoff getränkt wurde oder durch das Spritzen der Medikamente in die Gebärmutter.

Zudem kann eine Bluttransfusion oder Flüssigkeitszufuhr erforderlich werden, um den Blutverlust auszugleichen.

Wird die Blutung trotz aller Gegenmaßnahmen nicht gestoppt, muss die Gebärmutter im Extremfall entfernt werden.

Maßnahmen bei der Übergabe der Schwangerenbetreuung vom Gynäkologen an die Geburtsklinik

  • Die Schwangere muss die Entbindungsklinik rechtzeitig aufsuchen, um die Entbindungsmethode ausreichend geplant werden kann.
  • Der Gynäkologe muss die Schwangere ausreichend über das individuelle Risiko während der Schwangerschaft und der Geburt aufklären.
  • In die Wahl der Entbindungsklinik sind die Faktoren der strukturellen und personellen Gegebenheiten der Klinik einzubeziehen (Klinik mit Grundversorgung, Maximalversorgung, Belegklinik; hierzu Mutterschaftsrichtlinien Abschnitt 8)
  • Es muss berücksichtigt werden, dass eine Risikoschwangerschaft auch zu einer Risikogeburt führen kann.
  • Die durch den Gynäkologen erhobenen Daten müssen an die Entbindungsklinik vollständig weitergeleitet werden, um die Gefahr eines Fehlverhaltens der Geburtshelfer und Ärzte zu minimieren.
  • Hochrisikoschwangerschaften und Verdachtsfälle sollen nach einer Empfehlung der DGGG in einem Perinatalzentrum betreut werden. Klare Vorgaben, wann eine Hochrisikoschwangerschaft besteht, existieren nicht. In bestimmten Fällen besteht jedoch ein verstärktes Risiko für das Auftreten von Komplikation:
    • höhergradige Mehrlingsschwangerschaften
    • Abhängigkeit von Drogen oder Alkohol
    • Diabetes die Insulingabe erfordert
    • erhebliche Wachstumsverzögerung (Wachstumsretardierung)
    • Blutungen nach der 28. SSW
    • schwere Erkrankung der Mutter (Infektionen, Herz-Kreislauf)
    • Auftreten von Wehen vor der 33. SSW
    • Schwangerschaftshypertonie in schwerer Ausprägung (HELLP-Syndrom)
    • kindliche Erkrankung (Hydrocephalus/Wasserkopf, Blutgruppenunverträglichkeit)

Medizinische Betreuung des Neugeborenen

Um Risiken für das Neugeborene zu vermeiden wurden für die Erstversorgung sowohl von der DGGG (DGGG 2004 – Leitlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen), als auch von der Deutschen Gesellschaft für perinatele Medizin Leitlinien (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024-004.html Leitlinie „Erstversorgung von Neugeborenen“, http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024-005.html Leitlinie "Betreuung des gesunden reifen Neugeborenen in der Geburtsklinik") veröffentlicht.

Grundsatz

Treten Komplikationen bei dem Neugeborenen auf, so ist grundsätzlich eine unmittelbare und dauernde Reaktion erforderlich

Es muss frühzeitig und genügend eingegriffen werden.

 

 

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